Presseerklärung Weltstillwoche 2015
„Schlank durch Schokolade – eine Wissenschaftslüge geht um die Welt“
Internationale Nestlé-Freie-Woche 2014
Presseerklärung Weltstillwoche 2014
Internationale Nestlé-Freie-Woche 2013
Presseerklärung Weltstillwoche 2013
Online-Petitionen gegen Nestlé
Recherchebericht über Verunreinigung von Babymilch:
Nestlé, Milupa
BUND-Studie zu Muttermilch:
Eine Katastrophe für Eltern und Kinder?
Gefahren der künstlichen Babynahrung
WHA Resolution 58.32
Neue Resolution zur Säuglings- und Kleinkindernährung
Humana entschädigt israelische Familien
Lettland: Gericht weist Verleumdungsklage gegen IBFAN-Gruppe ab
Gestillte Kinder Maßstab für neue weltweite WHO-Entwicklungsstandards
Heide Simonis neue Vorsitzende von UNICEF Deutschland
Säuglingsernährung in Katastrophenfällen
Pressemitteilung zur Weltstillwoche 2005
Schottland bringt Stillgesetz auf den Weg
Vom Stillen im öffentlichen Raum (06.04.2005)
Die nationale Stillkampagne in den USA startet nun doch!
WHO-Expertentreffen zu Enterobacter sakazakii
Gefahren der Flaschenernährung:
Tote Babys durch Humana-Sojamilch
Südafrika implementiert den Kodex
Tod aus der Flasche – Miese Geschäfte mit Babymilch
Originaltext der PANORAMA-Sendung vom 11.9.2003
Recherchebericht über Verunreinigung von Babymilch: Nestlé, Milupa
Große Mengen mehrerer Säuglings- und Kleinkind-Milchprodukte sind hauptsächlich in Italien, aber auch in Spanien, Portugal, Frankreich und Griechenland von der Polizei beschlagnahmt, bzw. vom jeweiligen Hersteller vom Markt zurückgezogen worden, weil sie durch einen Verpackungsbestandteil, der Verbindung ITX (IsopropylThioXanton) verunreinigt waren. Es betrifft jeweils in Tetra Paks abgefüllte Fertigmilch, die Rückstände des Fixiermittels aus der Verpackungsaufschrift aufwiesen.
Ob diese Substanz gesundheitsgefährdend ist, ist noch nicht bekannt. Der italienische Landwirtschaftsminister fordert aber eine Untersuchung möglicher Gesundheitsrisiken für Babies, die über längere Zeit mit der Nestlé-Milch gefüttert wurden.
Insgesamt beschlagnahmte die italienische Polizei nach Behördenangaben rund 30 Mio. Liter Nestlé-Babymilch der Marken „Nidina 2“ (Folgemilch, die von Nestlé ab dem 5. Monat beworben wird) und der Kleinkindmilch „Latte Mio“(ab dem 12. Monat). Vereinzelte Quellen (u.a. Tagesschau Online) nennen auch die Anfangsmilch „Nidina 1“ als verunreinigtes Produkt. Bereits am 9. November wurden laut der italienischen Nachrichtenagentur ANSA 2 Millionen Liter Nestlé-Babymilch beschlagnahmt. Nun würden die betroffenen Produkte aus allen Geschäften und Warenhäusern geräumt
Der Nestlé-Sprecher Francois-Xavier Perroud beschwichtigt jedoch, es seien in Italien nur zwei Mio. Liter und in den Portugal, Spanien und Frankreich sehr viel kleinere Mengen Babymilch fehlerhaft gewesen. Diese habe Nestlé selbst vom Markt zurückgerufen. Von einer Beschlagnahmung sei dem Konzern angeblich nichts bekannt.
Perroud ließ verlauten, es sei ein Problem der Verpackung, nicht des Produkts. Die Milch wurde wahrscheinlich in den Niederlanden produziert, die Verpackung des schwedischen Unternehmens Tetra Pak nach ersten Erkenntnissen in Spanien.
Perroud verwies zudem darauf, dass es sich bei der vermeintlichen Rückrufaktion um eine reine Vorsichtsmaßnahme handele. Nach „breitem wissenschaftlichen Konsens“ bestünde keine gesundheitliche Gefährdung durch ITX. Bei der Verpackung werde inzwischen auf die Substanz verzichtet.
Allerdings hatte es Nestlé offensichtlich bei dieser „Vorsichtsmaßnahme“ nicht besonders eilig, denn bereits seit Anfang September, so berichtete der Guardian am 23. November, war der Firmenleitung das Problem bekannt.
So droht nun Nestlé-Chef Peter Brabeck, der den Aufruhr um die verunreinigte Babymilch als „Sturm im Wasserglas“ abtat, Ungemach von höchster Stelle. Der italienische Gesundheitsminister Francesco Storace bezichtigt Brabeck der Lüge und erwägt sogar eine Klage, da dieser fälschlich behauptet hatte, bereits im Juli, also bevor die Verunreinigung entdeckt worden war, mit den italienischen Behörden die Rücknahme der fehlerhaften Babymilch verabredet zu haben.
In einem Interview mit der Zeitschrift Öko-Test Online versicherte Elke Schmidt, Sprecherin von Nestlé Deutschland, für Deutschland bestehe keine Gefahr durch ITX, da hier weder die betroffene Verpackung noch das entsprechende Druckverfahren angewendet würden.
Kontamination auch in Deutschland
Gefahr könnte dafür aber durchaus von einem anderen Hersteller ausgehen. Denn in Deutschland ist das mit eben diesem ITX verunreinigte Produkt Milupino, ein Kinderkakao für Kleinkinder, über acht Wochen lang in Umlauf gelangt. Allerdings erachtete es hier, im Gegensatz zu den italienischen Behörden, offenbar niemand für nötig, den Kakao aus dem Verkehr zu ziehen.
Christian Stammkötter, Marketingleiter von Milupa Deutschland, begründete dies damit, dass die Substanz von der EU- Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) nicht als gesundheitsgefährdend eingestuft sei. (Diese Argumentation wir aber durch aktuelle Stellungnahmen der EFSA zum Fall Nestlé entkräftet. Siehe unten)
Die Behörde habe allerdings angeordnet, das Druckverfahren bis zum Jahresende zu ändern. Mit dieser erfolgten Umstellung meint Milupa Deutschland nun auf seiner Website, hätte das Unternehmen seiner besonderen Verantwortung Eltern und Kindern gegenüber entsprochen.
Wie das Handelsblatt Online am 26.11. berichtete, erwartet die Bundesregierung in der kommenden Woche einen Bericht über mögliche Risiken durch ITX. Das Verbraucherschutzministerium habe das Bundesinstitut für Risikobewertung eingeschaltet und um einen solchen Bericht gebeten, sagte Ministeriumssprecher Andreas Schulze am Samstag in Berlin.
Stammkötter betonte, Milupa-Säuglingsmilch in Tetra-Verpackungen sei in Deutschland nicht auf dem Markt.
Wohl aber in Italien! Denn dort waren gleich in drei Milupa-Babymilchprodukten Rückstände von ITX aus der Tetra Pak-Verpackung entdeckt und Babymilch in unbekannter Menge daraufhin beschlagnahmt worden. Es handelt sich dabei um „Aptamil2“ (von Milupa ab dem 4. Monat empfohlen), „Aptamil Soia“ (ab dem 4. – 6. Monat) und „Babymil“ (nicht, wie fälschlicherweise in den Agenturen verbreitet, „Bedimil“; ab dem 12. Monat).
Europäische Behörde rügt Nestlé und Tetra Pak
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat derweil die Unternehmen Nestlé und Tetra Pak scharf kritisiert. Die Konzerne hätten irreführende Erklärungen veröffentlicht. Tetra Pak hatte unter Berufung auf die Behörde in italienischen Zeitungen ganzseitige Anzeigen geschaltet mit dem Hinweis, ITX sei ungiftig. Diese Angaben seien «irreführend», teilte die Behörde nun in einem Schreiben an Tetra Pak mit. Entgegen «der Behauptungen Dritter» habe die EFSA bislang keine abschließende Risikobewertung der Chemikalie ITX vorgenommen, erklärte die Behörde in Parma. Angesichts des begrenzten Datenmaterials sei dies noch nicht möglich, die Behörde habe lediglich eine «vorläufige Erklärung» abgegeben. Klar sei, dass der Stoff unerwünscht und nach ersten Erkenntnissen in kleinen Mengen unbedenklich ist. Dies sei jedoch keine endgültige Aussage, so die EFSA.
die daher in den kommenden zwei Wochen erste Ergebnisse einer neuen Untersuchung zu ITX präsentieren will. Der Abschlussbericht ist für März 2006 vorgesehen.
Quellen
Zu Nestlé:
http://www.tagesschau.de/ausland/meldung149548.html
http://www.nachrichten.ch/detail/227109.htm
http://www.guardian.co.uk/food/Story/0,,1648616,00.html
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/artikel/46/64981/
http://www.oekotest.de/cgi/nm/nm.cgi?doc=akt-231105-nestle
http://www.oekotest.de/cgi/nm/nm.cgi?doc=akt-021205-tetrapack
Zu Milupa:
http://www.welt.de/data/2005/11/26/809579.html
http://www.milupa.de/mlp/milupa/eltern/eltern/itx.php
http://www.taz.de/pt/2005/11/28/a0121.nf/text.ges,1
http://www.milupa.it/asp/show_milupa.asp?brand_id=16&market_id=10&lng_id=4
BUND-Studie zu Muttermilch:
Eine Katastrophe für Eltern und Kinder?
Mit seiner Überblicksstudie über Schadstoffe in der Muttermilch hatte der „Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland“ (BUND) auf die Dringlichkeit des Problems der Schadstoffbelastung unserer Umwelt hinweisen wollen, als er sie so drastisch mit „Über 300 Schadstoffe in der Muttermilch“ überschrieb. Die eigentliche Botschaft, die diese Studie vermitteln sollte, die vom Bundesumweltministerium finanziert wurde, steht jedoch erst in der Unterzeile: Es sei „Zeit für eine neue Chemikalienpolitik“ heißt es da. Das hat aber im allgemeinen Aufschrei wohl schon niemand mehr so recht wahrgenommen. Stattdessen hat die Studie die Muttermilch in Verruf gebracht.
Dabei ist Muttermilch nach wie vor das großartigste Nahrungsmittel, das die Menschheit kennt, und es sollte mit der Studie auch nicht angedeutet werden, dass die Mütter jetzt mit dem Stillen aufhören müssten, wie man im Vorwort des 50 Seiten dicken Werks lesen kann, das am 14. Juni der Öffentlichkeit vorgelegt wurde. Angekommen ist dort und in den Medien jedoch das Gegenteil. Folge: Die Babynahrungsindustrie reibt sich die Hände, Eltern, Ärzte und Pflegepersonal sind verunsichert und verängstigt.
Aus der Sicht von Verbraucherschützern und anderen Gruppen, die sich für die Gesundheit der Kleinsten einsetzen, ist diese Wirkung der BUND-Studie geradezu eine Katastrophe. „Das könnte unsere Arbeit um Jahre zurückwerfen,“ fürchtet Marina Weidenbach von der „Aktionsgruppe Babynahrung“ aus Göttingen. Die Gruppe engagiert sich seit über 20 Jahren für den Schutz, die Förderung und die Unterstützung des Stillens und ist Mitglied im „International Baby Food Action Network“ (IBFAN), einem globalen Netzwerk von über 150 Vereinen und Gruppierungen in mehr als 100 Ländern, die sich für die Belange der Ernährung von Säuglingen und Kleinkindern einsetzen. IBFAN erhielt 1998 den „Alternativen Nobelpreis“ für seine Arbeit zum Schutz des Stillens.
„Mit dieser Studie ist der Eindruck erweckt worden, dass Muttermilch schädlich für Kinder wäre“, meint Frau Weidenbach. „Das ist aber so nicht wahr!“
Dieser Ansicht ist im Grunde auch der BUND, dessen Bundesvorsitzende Angelika Zahrnt sagt: „Stillen ist die natürlichste Form der Säuglingsernährung“, und die Muttermilch dürfe genau deshalb nicht zum Risikofaktor werden. Hängen geblieben ist jedoch offenbar, dass Stillen ein „Risikofaktor“ schon ist, wie Frau Weidenbach jetzt quasi täglich erfährt: „Dauernd erreichen uns Nachrichten von besorgten Müttern und Vätern, die nun nicht mehr wissen, was sie tun sollen.“ Es gebe sogar Fälle, in denen Müttern, die bisher gestillt haben, von ihren Ärzten auf Grund der durch die Studie ausgelösten Hysterie regelrecht verboten wurde, mit dem Stillen fortzufahren. „Diese Eltern sind der Verzweiflung nahe, weil sie doch das Beste für ihre Kinder wollen. Dass künstliche Babynahrung das nicht ist, wissen wir seit langem: jährlich sterben laut UNICEF 1,5 Millionen Kinder daran, weltweit, auch in Europa und den anderen Industrieländern. Aber jetzt gerät auch die Muttermilch in Verruf, und das ist fatal!“
Stillen ist und bleibt „trotz allem“ das Beste für Babys, wie auch Ute Renköwitz, Bundesstillbeauftragte des „Bundes Deutscher Hebammen“ (BDH) meint. Der Bund Deutscher Hebammen und die Aktionsgruppe Babynahrung begrüßen und unterstützen allerdings die Forderung des BUND nach verstärkten Maßnahmen, um die Belastung der Umwelt weiterhin zu reduzieren. „Das kann uns allen nur gut tun“, meint Dr. Christiane Bergmann vom wissenschaftlichen Beirat der Aktionsgruppe Babynahrung. „Denn nach wie vor ist ja der eigentliche Skandal, dass wir alle mit Umweltgiften belastet sind und offenbar von Industrie und Politik nicht genügend dagegen getan wird!“
Weitere Links:
Arbeitsgemeinschaft Freier Stillgruppen (AFS)
Die AFS hat ein neues Faltblatt zum aktuellen Thema erstellt!
www.afs-stillen.de/cms/cms/upload/faltblaetter/mIB_Schadstoffe.PDF
Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung:
www.bfr.bund.de/cd/6434
Pressemitteilung des Ausbildungszentrums Laktation und Stillen:
www.lalecheliga.de/01-stellungnahme/stellung-2.htm
Stellungnahme des Berufsverband Deutscher Laktationsberaterinnen
www.bdl-stillen.de/aktuelles/medizinuw/trotzallem.htm
Stellungnahme der La Leche Liga Deutschland:
www.lalecheliga.de/01-stellungnahme/stellung-1.htm
Der Text der Studie des BUND:
www.bund.net/lab/reddot2/pdf/studie_muttermilch.pdf
Gefahren der künstlichen Babynahrung
2003 sind in Israel 15 Babys schwer erkrankt, zwei sogar gestorben, weil die Sojamilch von „Humana“, mit der sie gefüttert worden waren, zuwenig Vitamin B1 enthielt. Dieser „Humana-Skandal“ sorgt alle naselang für weitere Schlagzeilen (eine Dokumentation von Artikeln dazu gibt es z.B. auf der Website der „Neuen Westfälischen“ aus Bielefeld, www.nw-news.de), derweil Humana in seiner Werbung nur noch um – das verloren gegangene – Vertrauen wirbt.
Der Fall eines deutschen Hersteller ist hierzulande natürlich am „interessantesten“. Gesundheitsgefahren, die von künstlicher Babynahrung ausgehen, sind aber gar nicht so selten. Wenn sie in anderen Ländern auftreten, kommt es bloß oft nicht in die deutschen Medien.
Hier eine Auswahl aus den Nachrichten, die uns im letzten Vierteljahr erreichten:
• Frankreich, Dezember 2004: Zwei Babys starben und mehrere weitere erkrankten, nachdem sie mit „Pregestimil“ des Herstellers Mead Johnson Nutritionals gefüttert wurden. Die betreffende Charge war mit Enterobacter sakazakii verseucht und wurde daraufhin weltweit vom Markt genommen.
• Frankreich, Januar/Februar 2005: (mindestens) 21 Säuglinge im Alter von einem bis sieben Monaten erlitten schwere Infektionen mit Salmonellen (Salmonella agona), nachdem sie mit einem Produkt der Firma Picot gefüttert worden waren. Das Produkt wurde weltweit vom Markt genommen. Im Zusammenhang damit mussten auch fünf Babynahrungsprodukte von Danone zurückgerufen werden, da sie in derselben Produktionsanlage hergestellt worden waren wie das Picot-Produkt, wo die Salmonellenverseuchung aufgetreten war.
• Deutschland, Februar 2005: „Öko-Test“ berichtet von chemischen Verunreinigungen von Babynahrung durch das Dichtungsmaterial der Gläschendeckel, das Semicarbazid und 2-Ethylhexansäure (2-EHA) enthielt. Die Hersteller versicherten schon im vergangenen Jahr, die Substanz Semicarbazid, die als krebserregend gilt, ab Sommer 2004 nicht mehr verwenden zu wollen. Noch im Januar 2005 wurde sie aber von den Warentestern gefunden. Und auch in einem neuerlichen Test, der in der Maiausgabe von „Öko-Test“ erscheint, sind die Stoffe wieder in Babynahrung aufgetaucht. Ab Sommer 2005 ist es EU-weit verboten, in Deckeldichtungen Stoffe zu verwenden, die zur Bildung von Semicarbazid führen können.
• Finnland, Februar 2005: (mindestens) zwei Babynahrungsprodukte der Firma Valio sind zehnfach mit Vitamin D überdosiert. Die Nationale Nahrungsmittelkommission gibt eine Warnung aus, dass diese Produkte nicht weiter verwendet werden dürfen. Eltern, die diese Produkte benutzt haben, sollen sich mit ihren Kinderärzten in Verbindung setzen.
• Schweiz und Frankreich,Januar 2005: „Trinkfertige“ Ersatzmilch in Einwegflaschen galt bisher als steril und „sicher“, weil die Fläschchen ab Fabrik luftdicht verschlossen sind und erst direkt bei Gebrauch geöffnet werden. Stimmt nicht: In Frankreich und der Schweiz musste Nestlé sein Produkt „Guigoz“ vom Markt nehmen, weil die Milch in den Fertigflaschen geronnen war. Die Fläschchen hätten winzige Löcher gehabt, hieß es.
• Brasilien, Januar 2005: In Sao Paulo wird bei einer Routineuntersuchung des Produkts „Aptamil“ Enterobacter sakazakii gefunden. Aptamil wird dort von der Firma Support Produtos Nutricionais hergestellt. Die Gesundheitsbehörden verbieten den Verkauf in der Region Sao Paulo und prüfen ein mögliches landesweites Verkaufsverbot.
• USA, Februar 2005: Im Produkt „Similac Advance“ des Herstellers Abbott Ross werden schwarze Plastikpartikel gefunden.
• Schweiz, Mai 2005: Eine Charge des Produkts „Beba 1“ (Anfangsnahrung) wird von Nestlé zurückgerufen: Die Pakete waren mit „Beba 2“ (Folgemilch) befüllt worden.
Nur spärliche Informationen für die Öffentlichkeit
Nachrichten über verseuchten Muttermilchersatz und dadurch geschädigte, erkrankte oder getötete Babys erreichen aber nicht nur uns bei der AGB oft genug nur über Umwege, wie z.B. Mitteilungen von IBFAN-Kollegen. Beim Fall in Frankreich vom Dezember etwa erfuhren Eltern, die „Pregestimil“ verwendet hatten, erst aus einer Pressenotiz von der Gefahr, die von diesem Produkt für ihre Kinder ausging.
Hersteller Mead Johnson hatte keine Informationen veröffentlicht und leugnete sogar die Anwesenheit des Bakteriums in seinem Produkt, trotz den Untersuchungsergebnissen des französischen Gesundheitsministeriums. Auf Nachfragen bei einer Infohotline der Firma erhielten die Eltern die Auskunft, es handle sich bei den Erkrankungen lediglich um leichte Unverträglichkeitserscheinungen.
WHA Resolution 58.32
Neue Resolution zur Säuglings- und Kleinkindernährung
Im Mai 2005 hat die Weltgesundheitsversammlung eine neue Resolution zur Säuglings- und Kleinkindernährung verabschiedet. Diese Resolution war von Vielen mit Spannung erwartet worden, denn sie stand schon im vergangenen Jahr auf der Tagesordnung, wurde dann aber auf die diesjährige Sitzung verschoben.
Ziel der Länder, die diese Resolution eingebracht hatten, war unter anderem eine Verdeutlichung und Verschärfung der Kennzeichnungspflichten auf Babynahrungsprodukten. Dazu gehörte der Hinweis, dass künstliches Milchpulver nicht steril ist. Außerdem sollten sogenannte „health claims“, also gesundheitsbezogene Werbebehauptungen, im Bereich der Säuglingsernährung verboten werden. Weiterer Inhalt war die Vermeidung von Interessenkonflikten durch Sponsoring für Gesundheitseinrichtungen und das Gesundheitspersonal.
Leider sieht der endgültige Text der Resolution nicht so aus, wie Viele gehofft hatten. Es sind zwar die Kernpunkte der ursprünglichen Formulierungen aufgenommen worden, ihre Schlagkraft wurde allerdings durch kleine Zusätze stark verwässert. An entscheidenden Stellen stehen jetzt Formulierungen wie „where applicabe“ oder „where appropriate“, die auf nationale Gesetzgebung der Mitgliedsländer der WHO hinweisen: An den Stellen, wo das nationale Recht z.B. Kennzeichnungen fordert, sollen diese eben auch vorkommen. Eindeutig formuliert wird dieses Verfahren bei Artikel 1.2 der Resolution: „health claims“ sollen zwar verboten werden, sind jedoch dort, wo die nationale Gesetzgebung Ausnahmen vorsieht, erlaubt. Ziel war aber das generelle Verbot von „health claims“ gewesen.
Nestlé und der „Faire Handel“
Auf den ersten Blick zwei Begriffe, die nicht recht zusammen passen wollen. Und dennoch hat Nestlé für ein neues Kaffeeprodukt ein Fairhandels-Siegel bekommen.
Der lösliche Kaffee, der unter dem Namen „Partner’s Blend“ in Großbritannien auf den Markt kommen soll, erfüllt nach den Kriterien der englischen „Fair Trade Foundation“ (FTF) tatsächlich die Bedingungen für fair gehandelte Produkte. Und die FTF ist nicht irgendwer, sondern ein hochrenommiertes Institut, das u.a. die Hilfsorganisationen OXFAM und Christian Aid zu seinen Gründern zählt.
Nicht nur Nestlé-Boykotteure schütteln den Kopf: Nun steht neben den Produkten, die man boykottieren will, plötzlich ein fair gehandeltes Produkt, und fairer Handel ist doch eigentlich etwas Gutes.
So spricht FTF-Direktorin Harriet Lamb von einem „Wendepunkt für viele Unterstützer der Fairtrade-Kampagne“, die mit ihren Forderungen für gerechte Handelsbedingungen die Großkonzerne unter Druck gesetzt hätten.
Und zweifelsohne verbessern sich auch die Lebensbedingungen einiger besonders armer Kleinbauern in El Salvador und Äthiopien, die Nestlé mit den Kaffeebohnen beliefern. Immerhin garantiert Nestlé den Zulieferern die dauerhafte Abnahme ihrer Bohnen und einen Mindestpreis, der mit umgerechnet 49 Euro-Cent pro Kilo etwa ein Drittel über dem aktuellen Weltmarktpreis von 37 Euro-Cent liegt (bei einem Ladenpreis von voraussichtlich ca. 40 Euro pro Kilo!).
Dennoch hält sich auch unter den Mitgliedsorganisationen der britischen Stiftung die Begeisterung in Grenzen. Man sieht den gesamten Gedanken des fairen Handels in Gefahr. Aus gutem Grund:
Denn augenscheinlich betrachtet Nestlé den fairen Handel nicht als grundsätzliche Alternative zu ihren bisherigen aggressiven Vermarktungsstrategien, sondern in erster Linie als höchst profitable Marktnische und Gelegenheit zur Imagepflege gegenüber den zunehmend informierten und kritischen Verbrauchern.
So erfüllt außer „Partners’ Blend“ kein einziges aus der Palette von weit über 8.000 Nestlé-Produkten die Fairtrade-Kriterien. Statt für alle Kaffeebauern faire Preise zu gewährleisten, werden nur einige wenige unterstützt. Letztlich gehen weit weniger als 1% von Nestlés Kaffeeprodukten aus „fairem Handel“ hervor (und der gesamte Kaffee-Handel macht lediglich ca. 9 % von Nestlés globalem Umsatz aus).
Wie ausschließlich profitorientiert Nestlés Kampagne ist, dokumentiert zudem die Tatsache, dass das Unternehmen noch vor einem Jahr energisch davor warnte, die Bauern über dem Marktpreis zu bezahlen, um nicht Überproduktion und in deren Folge Preisverfall zu provozieren.
Schließlich räumt Nestlé selbst – bei aller vordergründlich verkündeter Verpflichtung, einigen der ärmsten Bauern auf der Welt zu helfen – ein, mit dem neuen Produkt auf die stetig steigende Nachfrage der Konsumenten reagiert zu haben.
Und obwohl die FTF nicht etwa Nestlé als Unternehmen fairen Handel attestiert, sondern lediglich ein einzelnes Produkt ausgezeichnet hat, werden viele Konsumenten in Zukunft mit dem Namen Nestlé fairen Handel verbinden – und guten Gewissens Nestlé-Produkte kaufen, die nichts mit gerechtem Handel zu tun haben.
Um diesen werbewirksamen Effekt wissend, lässt sich der Konzern die Fairtrade-Vermarktungskampagne immerhin rund 1,5 Millionen Euro kosten – eine Investition, die sich für Nestlé rentieren wird. Allerdings, wie zu befürchten steht, auf Kosten des wirklich fairen Handels. Denn dem wird nach Nestlés Werbe-Coup manch Käufer verloren gehen.
Vor diesem aktuellen Hintergrund kann die Vorgehensweise der FTF in Frage gestellt werden. Dem Fairtrade-Gedanken wäre sicherlich eher gedient, wenn die FTF lediglich Organisationen und Anbieter auswiese, die gerechten Handel nachweislich zum grundsätzlichen Prinzip erheben. Stattdessen verleiht sie ein Gütesiegel an ein einzelnes Produkt, das alles andere als repräsentativ ist für die Geschäftsprinzipien des Herstellers, dessen Handel mit Babynahrung die Rechte der Kinder in unverantwortlichem Maße verletzt.
Humana entschädigt israelische Familien
Rund zwei Jahre, nachdem in Israel zwei Babys gestorben und weitere 15 Kinder nach Fütterung mit fehlerhafter Babynahrung schwer erkrankt waren, haben sich die Herstellerfirma Humana und ihr israelisches Partnerunternehmen Remedia vor einem Gericht in Tel Aviv mit dreien der betroffenen Familien auf eine finanzielle Entschädigung geeinigt.
Sie beläuft sich nach Angaben der israelischen Zeitung Haaretz pro Familie auf umgerechnet 1,9 Millionen Euro und umfasst neben Schmerzensgeld auch Zahlungen für medizinische Langzeitbehandlungen der erkrankten Kinder.
Allerdings verpflichteten sich die Familien, eine Erklärung zu unterzeichnen, laut der Humana keinerlei Verantwortung für die Gesundheitsschäden ihrer Kinder trage. Die Familien akzeptieren damit die Entschädigungszahlungen als „Geste des guten Willens“ der Hersteller und verzichten gleichzeitig auf weitergehende Ansprüche gegen das Unternehmen. So umgeht Humana ein öffentliches Schuldeingeständnis für die teils irreparablen Gesundheitsschäden der betroffenen Kinder.
Bereits im August letzten Jahres hatte sich Humana zu Schadensersatzzahlungen bereit erklärt. Die von Humana für den israelischen Markt produzierte koschere Sojamilch, mit der die Babys gefüttert worden waren, enthielt zu wenig von dem lebensnotwendigen Vitamin B1.
Lettland
Gericht weist Verleumdungsklage gegen IBFAN-Gruppe ab
Einen bemerkenswerten Erfolg konnte die lettische IBFAN-Gruppe LKEVAB verbuchen. Zunächst hatte sie eine unrechtmäßige Produktempfehlung aufgedeckt, die der Lettische Kinderarztverband (LPA) auf der Verpackung einer hypoallergenen Folgemilch von Nestlé gegeben hatte.
LKEVAB wies umgehend in einem Protestbrief an LPA, den lettischen Gesundheitsminister und Nestlé darauf hin, dass eine solche Idealisierung von Muttermilchersatzprodukten sowohl gegen den Internationalen Kodex zur Vermarktung von Muttermilchersatzprodukten als auch gegen lettisches Recht verstoße. Die IBFAN-Organisation machte zudem deutlich, dass diese Form der Kooperation mit Nestlé den Verdacht der Bestechlichkeit erwecke
Auf der abgebildeten Verpackung ist der Aufdruck „empfohlen vom Lettischen Kinderarztverband (LPA)“ hervorgehoben, der erst kurz vor Prozessbeginn zurückgezogen wurde
Der LPA-Präsident strengte eine Verleumdungsklage gegen die IBFAN-Gruppe an, nachdem sie seiner Aufforderung, das Schreiben zu widerrufen, nicht gefolgt war.
Diese Klage wies aber ein Gericht in Riga im Mai diesen Jahres als unbegründet zurück. Es bezog sich in seiner Urteilsbegründung u. a. auf ein UNICEF-Schreiben, das auf drei Verstöße gegen den Internationalen Kodex aufmerksam machte:
Der Kinderärzteverband hat demnach mit der Produktempfehlung seine Verpflichtung zur Stillförderung verletzt. Zudem untersagt der Kodex nicht nur den Herstellern, Gesundheitspersonal finanzielle Anreize zur Produktförderung zu bieten (dass seitens Nestlé Gelder geflossen sind, steht dringend zu vermuten), sondern verbietet auch eine solche Produktempfehlung, die eine unzulässige Beeinflussung des Verbrauchers darstellt.
Gefahren von Soja-Babynahrung
US-Regierung veranlasst Untersuchung der gesundheitlichen Folgen von Soja-Babynahrung
In den USA haben die Nationalen Gesundheitsinstitute (NIH) ein wissenschaftliches Gremium einberufen, das die Unbedenklichkeit von Soja kritisch überprüfen soll. Insbesondere künstliche Soja-Babynahrung wird dabei auf ihre gesundheitlichen Folgen für die Kinder untersucht. Das berichtet „USA Today“ am 15. März 2006. Damit reagiert die US-Regierung auf Studien, deren Ergebnisse darauf hinweisen, dass das in Soja enthaltene pflanzliche Hormon (Phytoöstrogen) namens Genistein beim Menschen Auswirkungen auf die Individualentwicklung hat und unter anderem die männliche Fortpflanzungsfähigkeit und den weiblichen Menstruationszyklus beeinflusst.
„USA Today“ zitiert in ihrem Bericht den Arzt Dr. Mercula, der Soja-Babynahrung als die schlechteste Nahrung bezeichnet, die man einem Kind geben kann. Neben der gefährlichen hormonähnlichen Wirkung warnt Dr. Mercula vor zahlreichen weiteren Gefahren, die von Soja ausgingen: Manche Soja-Nahrungen wiesen demnach giftige Mangan-Konzentrationen auf, die bis zu 80 mal höher liegen als der Mangan-Gehalt der Muttermilch.
Bestimmte Bestandteile von Sojanahrung könnten auch die Proteinverdauung hemmen und als Folge Magenleiden hervorrufen. Soja enthalte zudem Substanzen, die das Wachstum behindern. Bestimmte Soja-Inhaltstoffe (Goitrogene) könnten zu einer Schilddrüsenunterfunktion führen. Des weiteren weist der Arzt darauf hin, dass 70 % aller Sojabohnen genetisch manipuliert und zudem zu einem sehr hohen Grad mit Pestiziden verseucht seien.
Bereits 1997 hatte die medizinische Zeitschrift „Lancet“ eine Studie zum Thema veröffentlicht. Sie zeigte, dass Kinder, die mit Soja-Nahrung ernährt werden, einer 6 – 11 mal höheren Konzentration von Phytoöstrogenen ausgesetzt seien als regelmäßig Soja konsumierende Erwachsene. Dabei sei die Genistein-Konzentration im Blut von Kindern, die ausschließlich Sojanahrung erhalten, 13.000 bis 22.000 mal höher als die menschlichen Östrogens. Diese Kinder nähmen demnach täglich eine Menge hormonähnlicher Substanzen auf, die – umgerechnet auf das Körpergewicht – mindestens 5 Antibabypillen entspricht.
Israelische Regierung warnt vor Sojanahrung für Kinder
Bereits im Juli letzten Jahres reagierte die israelische Regierung auf zahlreiche Studien, die zu ganz ähnlichen Schlussfolgerungen gelangten und darüber hinaus den Verdacht nahe legten, dass Soja krebserregende Substanzen beinhalte. Das israelische Gesundheitsministerium gab daraufhin die Empfehlung aus, den Verbrauch von Sojaprodukten für Kinder einzuschränken und für Babys und Kleinkinder wenn möglich ganz zu vermeiden. Zudem wurden Kinderärzte angehalten, die Konzentration des Schilddrüsenhormons Thyroxin bei Kindern zu beobachten, die Sojanahrung erhalten.
Diese Vorsichtsmaßnahmen sind umso bemerkenswerter, als der Markt für Soja-Babynahrung in Israel einer der größten weltweit ist. Viele orthodoxe jüdische Familien, deren Babys nicht gestillt werden, greifen gerne generell auf Soja-Babynahrung zurück. Damit wollen sie gemäß den religiösen Speisevorschriften verhindern, dass Milchprodukte und Fleisch miteinander in Berührung kommen. Solche Familen waren auch besonders betroffen, als im Sommer 2003 fehlerhafte Soja-Babynahrung der deutschen Herstellerfirma Humana auf den israelischen Markt gelangte.
Zwei Babys starben und weitere 15 Kinder erkrankten schwer, nachdem sie Sojanahrung erhalten hatten, die zu wenig Vitamin B1 enthielt.
Mit seiner Empfehlung, bei der Ernährung von Kindern möglichst auf Soja-Produkte zu verzichten, geht das israelische Gesundheitsministerium jedoch nicht so weit wie die Regierungen in Australien und Neuseeland. Dort dürfen Soja-Nahrungen ausschließlich auf ärztliche Anweisung verkauft werden.
Gestillte Kinder Maßstab für neue weltweite WHO-Entwicklungsstandards
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat im April neue weltweit geltende Standardwerte für das Wachstum von Kindern bis zum Alter von 5 Jahren herausgegeben. Sie sollen global einen wichtigen Beitrag zur Früherkennung und Prävention etwa von Unter- und Fehlernährung, Übergewicht oder Fettleibigkeit leisten.
Diese neuen Bezugsnormen dokumentieren in über 30 Tabellen unter anderem erstmals, welche Körpergröße und welches Gewicht Kinder in einem bestimmten Alter unabhängig von ihrer geographischen Herkunft ungefähr erreichen sollten, sofern grundlegende gesundheitliche Voraussetzungen und Ernährungsbedürfnisse – insbesondere das Stillen – erfüllt sind. Zudem werden in den Tabellen wichtige motorische Entwicklungsstadien wie Sitzen, Stehen oder Laufen in einem präskriptiven Zeitrahmen erfasst.
Die Ergebnisse beruhen auf einer Studie, die die WHO 1997 in Auftrag gegeben hatte, um Medizinern, Politikern, Gesundheitsorganisationen und Eltern weltweit zu ermöglichen, das Wohlbefinden von Kindern anhand einheitlicher entwicklungsphysiologischer Daten zu überwachen und zu beurteilen. In Brasilien, Ghana, Indien, Norwegen, im Oman und in den USA wurden dazu über 8.000 Kinder untersucht. Entscheidendes Kriterium für die Auswahl der Kinder war, dass sie in einem gesundheitlich unbedenklichen Umfeld aufwachsen.
Voraussetzungen dafür waren zum Beispiel, dass die Kinder mindestens drei Monate voll gestillt wurden, ausreichend sichere und angemessene Nahrungsmittel für Mutter und Kind zu Verfügung standen und die Mütter während und nach der Schwangerschaft nicht rauchten.
Die bisher herangezogenen und als überholt angesehenen Referenzwerte beschrieben lediglich, wie die körperliche Entwicklung von Kindern zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort im Durchschnitt verläuft. Sie entsprangen dabei zufälligen Stichproben, die neben gestillten Kindern aber auch einen großen Anteil von Kindern enthielt, die mit künstlicher Babynahrung ernährt wurden. Oft wurden diese Werte jedoch fälschlich als Idealstandards für das Kindeswachstum interpretiert.
So wurden etwa bei ausschließlich gestillten Kindern Abweichungen von diesen Vergleichskurven häufig zu Unrecht als Ausdruck von Unterernährung fehlgedeutet. Unnötiges Zufüttern war oft die Folge und behinderte das Stillen als gesündeste Säuglingsernährung.
Unter anderem solche Fehleinschätzungen sollen durch die neuen WHO-Standards verhindert werden. Sie sollen künftig weltweit herangezogen werden als Vergleichsgrundlage in Arztpraxen, Krankenhäusern, Forschungseinrichtungen und Organisationen, die sich für Kindergesundheit einsetzen. Sie stellen zudem ein Werkzeug dar, die Wirksamkeit von politischen Maßnahmen zur Förderung der Kindergesundheit zu überprüfen.
Heide Simonis neue Vorsitzende von UNICEF Deutschland
Schleswig-Holsteins ehemalige Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) ist zur neuen Vorsitzenden von UNICEF Deutschland gewählt worden und übernimmt das Ehrenamt am 1. Januar 2006.
Nach ihrer Wahl sagte Simonis, sie „möchte helfen, die Kraft, die in den Entwicklungsländern steckt und die wir oft nicht erkennen, zu fördern. Dies geht am besten, indem wir die Kinder stärken“. Es besteht zudem begründete Hoffnung, dass Simonis, die bereits lange Jahre als prominente und engagierte UNICEF-Botschafterin fungierte, der Stillförderung bei UNICEF Deutschland einen hohen Stellenwert zuweisen wird.
Dafür steht zum Beispiel ihre Zeit in Sambia in den 60er Jahren. Wie sie in ihrem im Jahr 2003 erschienenen Buch Unter Männern. Mein Leben in der Politik (dtv, 9 Euro) schreibt, war ihr Mann dort als Wirtschaftsberater der Regierung tätig. Und da sie selbst nicht untätig sein wollte, nahm sie nicht nur eine Stelle als Deutschdozentin an der Universität von Lusaka an, sondern engagierte sich in der Freizeit auch in verschiedenen kirchlichen Gruppen des Landes.
Dort versuchte sie, wie sie in ihrem Buch schreibt, unter anderem und mit anderen, die „Frauen davon zu überzeugen, dass sie ihre Babys nicht mit pulverisierter Fertigmilch ernähren, sondern wieder lange stillen sollten. Sobald die Frauen dort ein bisschen Geld hatten, kauften sie nämlich Trockenmilch, weil es so schön bequem war, die nur einfach anzurühren. Doch vielen war nicht klar, dass man das dazu benötigte Wasser vorher unbedingt abkochen und die Fläschchen sterilisieren muss. Die Babys auf den Werbefotos für Pulvermilch sahen trügerisch rund und gesund aus, aber viele, die damit ernährt wurden, erkrankten und starben.“
Frau Simonis kennt also die Probleme mit künstlicher Babynahrung nicht nur, sie kennt sie sogar aus erster Hand. Nicht zuletzt auch damit im Zusammenhang stand wohl im März 2000 ihr Aufruf an die Delegierten eines SPD-Parteitags, Nestlé zu boykottieren. Aktueller Anlass war damals eine großzügige „Spende“ des Nestlé-Konzerns an die CDU.
Die AGB beglückwünscht Heide Simonis zu ihrer Wahl und freut sich auf eine hoffentlich gedeihliche Zusammenarbeit zum Wohl der Kinder!
Säuglingsernährung in Katastrophenfällen
UNICEF warnt vor Milchpulverspenden in Katastrophen- und Kriegsgebiete
Zu den Spendengütern, die in Katastrophengebiete geliefert werden, gehören typischerweise auch künstliche Milchpulverprodukte für die Ernährung von Säuglingen. Seit Jahren schon warnen das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eindringlich davor, unverlangte Milchpulverlieferungen zu sammeln und in Katastrophengebiete zu schaffen. Nach einer Empfehlung von UNICEF und WHO sollen Hilfsorganisationen solche Spenden nicht annehmen, und die meisten halten sich auch an diese Empfehlung, weil sie aus leidvoller Erfahrung wissen, dass solche Spenden viele Probleme schaffen, aber eigentlich kein einziges lösen.
Im Januar hat UNICEF aus Anlass der Flutwellenkatastrophe in Südostasien seine Empfehlungen in einem Rundbrief an die Hilfsorganisationen bekräftigt.
Künstliche Babynahrung ist häufig schädlich
Nur in ganz gravierenden Ausnahmefällen ist es nötig, Säuglinge mit etwas anderem als der Milch ihrer Mütter zu ernähren, z.B. wenn die Kinder ihre Eltern verloren haben. Auf diese Fälle sind erfahrene Hilfsorganisationen jedoch eingerichtet oder können Abhilfe schaffen. In so gut wie allen anderen Fällen ist das Füttern mit der Flasche und mit künstliche Babynahrung überflüssig oder kann sogar erhebliche gesundheitliche Schäden verursachen. UNICEF und WHO gehen davon aus, dass pro Jahr mehr als 1,5 Millionen Säuglinge und Kleinkinder an den Folgen der Ernährung mit künstlichen Produkten, die die Muttermilch ersetzen sollen, sterben.
Die Gründe hierfür sind vielfältig:
Häufig steht kein sauberes Wasser zur Verfügung, um die Pulverprodukte sicher zuzubereiten. Verschmutztes oder verseuchtes Wasser erhöht die Infektionsgefahr um ein Vielfaches.
Es fehlt an Feuerholz oder anderen Energiequellen, um das Wasser oder auch die Flaschen zu sterilisieren.
Die Ansicht, künstliche Babynahrung sei steril, ist ein Irrtum. Wenn überhaupt, ist sie es nur in der versiegelten Verpackung.
Sobald die Packung einmal geöffnet ist, ist künstliche Babymilch auf keinen Fall mehr steril, sondern sie bietet einen idealen Nährboden für verschiedene schädliche Bakterien und das Wachstum von Krankheitserregern, insbesondere in warmen und feuchten Gebieten wie z.B. in den Tropen oder auf Inseln im Indischen Ozean. Nicht selten ist aber künstliche Pulvernahrung schon bei der Herstellung und Verpackung nicht sauber. Mit am bekanntesten sind geradezu regelmäßig gemeldete Verseuchungen von frisch hergestellten Pulverprodukten mit Enterobacter sakazakii, einem Bakterium, das schwere Durchfallerkrankungen hervorruft und zum Tode führen kann.
In sehr vielen Gebieten der Welt vertragen die Menschen gar keine Kuhmilch oder Kuhmilchprodukte, wozu auch der größte Teil aller Säuglingsnahrungsprodukte gehört. Schwere Durchfallerkrankungen sind die Folge, oft mit tödlichem Ausgang.
Die Kinder verlieren den Schutz vor Krankheiten und Infektionen, den sie hätten, wenn sie gestillt würden, weil Muttermilch viele Substanzen enthält, die das Kind resistenter machen als es die künstlichen Produkte je könnten.
Künstliche Babynahrung kostet die Betroffenen Geld, spätestens wenn die öffentliche Spendenbereitschaft nachgelassen hat. Dies führt häufig dazu, dass die Produkte aus Sparsamkeit in zu hoher Verdünnung zubereitet werden, wodurch die Kinder noch schlechter ernährt werden als ohnehin schon.
Hilfspersonal ist oft nicht in der Lage, die Nahrung richtig zuzubereiten, z.B. weil die Gebrauchsanweisung für das jeweilige Produkt fehlt oder in einer fremden Sprache geschrieben ist. Auf diese Weise kann auch den Müttern die richtige Benutzung der künstlichen Nahrung nicht beigebracht werden. Denn selbst wenn sie keine Analphabetinnen sind und die fremde Sprache beherrschen, kommen sie möglicherweise mit (z.B. englischen gegenüber metrischen) Maßeinheiten nicht zurecht oder es treten andere Probleme auf, die die Spender nicht vorhersehen.
Es gibt keine einzige künstliche Babynahrung, die wirklich alle Stoffe enthält, die ein Säugling braucht. Gerade ein Säugling in einer Notlage benötigt die Immunglobuline aus der Milch seiner Mutter, besonders wenn das Kind durch die extremen Umstände geschwächt und traumatisiert ist. Außerdem braucht der Säugling neben der richtigen Ernährung jetzt den einzigartigen Kontakt zur Mutter, den nur das Stillen bieten kann.
Künstliche Pulvernahrung, die von manchen (scheinbar) wohlmeinenden Spendern oft gleich tonnenweise geliefert wird, muss sachgerecht gelagert werden. Dafür fehlt es jedoch fast immer an Platz und geeigneten Räumen in den Flüchtlings- und Hilfscamps. Auch der Transport dieser Waren bindet unnötiger Weise Ressourcen (Personal, Fahrzeuge, Treibstoff), die anderweitig sinnvoller eingesetzt werden können. Die notwendige kontrollierte Ausgabe kann in Flüchtlingscamps ebenfalls so gut wie nie gewährleistet werden.
Verlust der Stillfähigkeit ist ein Mythos
Zu den häufigsten irrigen Vorstellungen im Zusammenhang mit dem Stillen in Notsituationen gehören Annahmen wie:
Mütter verlieren wegen Unterernährung die Fähigkeit zum Stillen ihrer Kinder.
Selbst wenn diese Annahme richtig wäre, und meist ist sie es nicht, wäre der logische Schritt auch im Sinne einer gesunden Ernährung des Babys der, den Müttern zu essen zu geben, statt die Kinder mit künstlichem Pulver zu füttern. Auf jeden Fall ist es immer besser, das Stillen zu fördern und zu erleichtern.
Die Muttermilch versiegt aufgrund der außergewöhnlichen Stressbelastung oder wegen Traumatisierung.
Auch wo dies der Fall sein mag, ist es besser und oft auch leichter, die Stressfaktoren so weit abzubauen oder zu verringern, dass den Müttern das Stillen wieder möglich ist, z.B. indem man Müttern und Kindern in Lagern gemeinsame Rückzugsmöglichkeiten anbietet, etwa in besonderen Mutter-Kind-Zelten („Mother-Baby-Tents“, MBTs), wo stillende Mütter sich bei der Kindersorge gegenseitig helfen und unterstützen können.
Die Mutter muss mit dem Stillen aussetzen, wenn das Kind Durchfall hat.
Die Annahme, die Kinder bräuchten aufgrund etwaiger Dehydrierung durch Durchfallerkrankungen zusätzlich Wasser oder Tee ist falsch. Dies ist so gut wie nie der Fall: Muttermilch besteht ohnehin zu einem hohen Prozentsatz aus Wasser, enthält aber darüber hinaus viele natürliche Stoffe, die dem Kind helfen, eine natürliche Immunabwehr aufzubauen oder zu stärken. Hier ist also das Gegenteil der Fall: Muttermilch hilft dem gestillten Kind, eine Diarrhöe oder andere Durchfallerkrankungen schnell und gesund zu überstehen.
Wenn die Mutter einmal mit dem Stillen aufgehört hat, kann sie damit nicht wieder anfangen.
Mit einer adäquaten Relaktationstechnik ist es Müttern möglich, das Stillen wieder aufzunehmen,. Dazu benötigen Mütter qualifizierte Unterstützung durch im Stillen gut ausgebildete HelferInnen. Dies kann lebensrettende Ernährung und immunologischen Nutzen in Notsituationen bieten. Tatsächlich ist es in der großen Mehrheit der Fälle möglich, auch nach einer Pause das Stillen wieder aufzunehmen.
Waisen
Ein besonderer Fall sind Kinder, die ihre Eltern verloren haben. Doch auch hier gibt es sehr häufig andere und viel einfachere Möglichkeiten als den Griff zur künstlichen Ernährung, um diesen Kindern das Überleben zu sichern. Zum Beispiel kann man solche Waisen an andere stillende Mütter geben, die dann als Amme fungieren. Auch hierzu gibt es verschiedene Vorgehensempfehlungen der WHO und von UNICEF, an die sich die erfahrenen Hilfsorganisationen halten.
Grundsätzlich beinhaltet die Ernährung mit industriell gefertigter künstlicher Nahrung gegenüber dem Stillen erhebliche Gefahren für das Kind, und zwar nicht nur in Katastrophenfällen:
Nur die Muttermilch enthält alle für die Ernährung von Kleinkindern bis zum Alter von sechs Monaten nötigen Nährstoffe. Auch danach ist künstliche Nahrung nicht notwendig, besser ist es, mit landesüblichen Nahrungsmitteln angemessen zuzufüttern und das Stillen bis zum Alter von zwei Jahren oder auch darüber hinaus beizubehalten.
Für Kinder, die nicht die ersten sechs Monate voll gestillt werden, steigt das Risiko für folgende Krankheiten:
– um 40 % für Diabetes Typ I
– um 25 % für Übergewicht
– um 60 % für Mittelohrentzündungen
– um 30 % für Leukämie
– um 100 % für Durchfall
– um 250 % für Krankenhausaufenthalte in Folge von Atemwegserkrankungen wie
Asthma und Lungenentzündungen.
WHO und UNICEF schätzen, dass jedes Jahr 1,5 Millionen Säuglinge und Kleinkinder sterben, weil sie nicht gestillt, sondern mit künstlicher Säuglingsnahrung gefüttert wurden.
Pressemitteilung zur Weltstillwoche 2005
„Stillen und Familientisch – liebevoll, gesund und frisch“
In der Zeit vom 03. – 09. Oktober wurde auch in Deutschland an vielen Orten wieder die Weltstillwoche begangen. Die vielfältigen Aktionen standen unter dem Motto: „Gesunde Ernährung von Anfang an: Stillen und Familientisch – liebevoll, gesund und frisch“.
Stand in früheren Jahren mehr das ausschließliche Stillen während der ersten sechs Lebensmonate im Vordergrund, so sollte diesmal das Hauptgewicht auf der Einführung der sogenannten Beikost ab dem siebten Monat liegen. Nach Empfehlungen von WHO und UNICEF sollen Säuglinge in den ersten sechs Lebensmonaten ausschließlich gestillt werden. Also auch ohne Zugabe von Wasser, Tees oder Säften, denn in diesem Alter enthält die Muttermilch alles, was das Kind braucht. Etwa ab dem siebten Monat beginnt der Säugling zusätzlich zur Muttermilch, die er bis zum Alter von zwei Jahren und darüber hinaus weiter bekommen soll, auch andere Nahrung zu benötigen.
Unter Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten des Kindes kann es nach sechs Monaten langsam an das Familienessen gewöhnt werden. Dabei muss der Beginn der Beikost ab dem siebten Monat keinesfalls mit einem abrupten Abstillen einhergehen, und es ist in aller Regel auch nicht nötig, industrielle Beikostprodukte im Supermarkt zu kaufen. Sinnvoller ist es, mit behutsamem Zufüttern neben dem Stillen einen langsamen Übergang von der Mutterbrust an den Familientisch zu schaffen. Auch im zweiten Lebenshalbjahr und darüber hinaus bleibt die Muttermilch dabei jedoch eine wichtige Nahrungsquelle, die mehr Kalorien und Nährstoffe pro Milliliter enthält als die meisten anderen Nahrungsmittel.
Wie in den früheren Jahren hatte die „Aktionsgruppe Babynahrung“ aus Göttingen als deutscher Partner der „World Alliance for Breastfeeding Action (WABA)“, die als weltweiter Dachverband die Aktivitäten zur Weltstillwoche koordiniert, auch für die Weltstillwoche 2005 wieder ein umfangreiches Paket mit Informationen und Materialien angeboten.
Die Aktionsgruppe Babynahrung setzt sich für die Säuglingsgesundheit hier und in der dritten Welt ein. Sie betreibt Aufklärung, Öffentlichkeitsarbeit und vertreibt Informationsmaterial. Sie überwacht die Einhaltung des „Internationalen Kodex zur Vermarktung von Muttermilchersatzprodukten“ der WHO und sammelt die Verstöße gegen den Kodex in Deutschland. Hierbei ist sie auf die Hilfe vieler aufmerksamer Beobachter und Beobachterinnen angewiesen.
Schottland bringt Stillgesetz auf den Weg
Mit 80 zu 15 Stimmen hat das schottische Parlament im September einem Gesetzentwurf zugestimmt, mit dem Müttern und Kindern ein Recht auf Stillen an öffentlichen und der Öffentlichkeit frei zugänglichen Orten zugesprochen wird. Königin Elizabeth muss das Gesetz bloß noch unterzeichnen, dann kann es zum Ende dieses Jahres in Kraft treten.
Der „Breastfeeding. (Scotland) Act 2004″, so der offizielle Name dieses Gesetzes, soll es in Zukunft strafbar machen, einer Mutter das Stillen in der Öffentlichkeit zu untersagen. So muss ein Gastwirt, der eine Mutter davon abhalten will, in seinem Pub ihr Kind zu stillen, mit einer Geldstrafe von 2.500 Pfund rechnen, wenn er angezeigt wird.
Die Labour-Abgeordnete Elaine Smith hat den Entwurf eingebracht. Sie will mit dieser Gesetzesinitiative nicht nur das Stillen, sondern vielmehr „das Recht des Kindes zu essen“ und die „zukünftige Gesundheit der Nation“ schützen, fördern und unterstützen.
In den Reihen der Konservativen, von denen die Gegenstimmen kamen, stellt man sich demgegenüber auf den Standpunkt, mit diesem Gesetz würde der „nanny state“, die Bemutterung durch den Staat auf eine neue Spitze getrieben: der Trend ginge sowieso dahin, dass sich das Stillen immer weiter durchsetze, damit wäre das Gesetz überflüssig.
Die Ergebnisse einer Studie des schottischen National Childbirth Trust (NTC) sprechen allerdings eine andere Sprache. Demnach ist das Stillen in der Öffentlichkeit in Schottland noch weit davon entfernt, sozial akzeptiert zu sein.
Ungefähr zeitgleich hat außerdem das Parlament der Republik Irland das irische Mutterschutzgesetz um den „Maternity Protection (Amendment) Act 2004″ erweitert, der stillenden Müttern, die nach der Elternzeit an ihren Arbeitsplatz zurück kehren, ein Recht auf bezahlte Stillpausen einräumt.
Zum Vergleich etwas über die Situation in Deutschland:
Zwar sind vor kurzem zu den 17 „Stillfreundlichen Krankenhäusern“ zwei neue hinzugekommen, das Caritas-Krankenhaus St. Josef in Regensburg und die Universitäts-Frauenklinik Freiburg, die ihre Plakette von Gloria von Thurn und Taxis bzw. von Eva Herman überreicht bekamen. Doch Stillen in der Öffentlichkeit ist deshalb noch lange nicht gern gelitten. So schrieb uns vor kurzem eine junge Mutter:„Sollte es bereits eine Liste von stillfeindlichen Restaurants in Deutschland geben, möchte ich Sie bitten, folgende Adresse noch aufzunehmen…“
Vom Stillen im öffentlichen Raum (06.04.2005)
von Aiga Kornemann WEB-WECKER BIELEFELD
www.webwecker-bielefeld.de/servlet/is/25886/
Die nationale Stillkampagne in den USA startet nun doch!
Nachdem die Werbekampagne für das Stillen durch eine Gruppe von Babynahrungsherstellern sabotiert worden war und es erhebliche Querelen in Amerikanischen Kinderärzteverbänden gab, wird die Aktion nun endlich durchgeführt.
Der Beginn der Kampagne fällt mit der Veröffentlichung von zwei wichtigen wissenschaftlichen Arbeiten zusammen. Eine im Mai in Pediatrics veröffentlichte Studie fand für gestillte Kinder im Alter von vier Wochen bis zwölf Monaten ein geringeres Risiko an plötzlichem Kindstod zu sterben und eine in Diabetes/Metabolism Research and Reviews erschienene Arbeit zeigte, dass langes ausschließliches Stillen ein schützender Faktor vor Diabetes Typ 1 ist.
Diese und eine Vielzahl von weiteren Studien zeigen, dass Stillen wichtig für die Gesundheit von Mutter und Kind ist. Gestillte Kinder haben seltener Allergien, Mittelohrentzündungen, Atemwegserkrankungen und Durchfall, das mütterlich Risiko für Brustkrebs ist geringer.
Wegen den geringen Stillraten in den USA und den vorhandenen sozialen und kulturellen Barrieren hat das Gesundheitsministerium nun eine breitangelegte Kampagne in Fernsehen, Radio, Druckmedien, Plakatwerbung und Internet (www.4woman.gov) gestartet.
WHO-Expertentreffen zu Enterobacter sakazakii
Ein dreitägiges Expertentreffen der Weltgesundheitsorganisation im Februar 2004 in Genf hat unmissverständlich festgehalten, dass sich in Pulvermilchpackungen Salmonellen und Enterobakterien befinden können. Diese können Infektionen und Erkrankungen verursachen, die zu ernsthaften, bleibenden Schäden oder gar zum Tod führen können. Neugeborene in den ersten 4 Wochen, sowie frühgeborene, untergewichtige oder immunschwache Babys sind diesem Risiko besonders ausgesetzt.
Die Experten der Weltgesundheitsorganisation betonen dabei, dass Babymilch in Pulverform kein steriles Produkt ist und manchmal Keime enthalten kann. Sogar eine kleine Keimzahl kann gefährlich werden, weil sich die Keime während der Zubereitung – und Aufbewahrungszeit vor dem Füttern vermehren.
Folgende Empfehlungen wurden ausgesprochen:
Alle Personen, die künstliche Babynahrung zubereiten, müssen informiert werden, dass dieses Produkt nicht steril ist. Eine Möglichkeit die Milch zu dekontaminieren ist die Zubereitung mit kochendem Wasser oder das Erhitzen nach der Zubereitung. Danach muss selbstverständlich für eine adäquate Abkühlung vor dem Füttern gesorgt werden.
Bisphenol A in Babyflaschen
Nach Messungen der Zeitschrift Ökotest (10/03) können bis zu 150 Mikrogramm pro Liter Bisphenol aus Plastikflaschen in die Babynahrung übergehen. Bisphenol A wirkt ähnlich wie Östrogen und kann Säuglinge stark beeinflussen. Gewarnt wird vor Unfruchtbarkeit, Fehlbildungen und verfrühter sexueller Reife. Plastikbabyflaschen bestehen aus Polycarbonat, das sich beim Erhitzen spalten kann. Dadurch bildet sich Bisphenol A immer neu. Wird Wasser in der Mikrowelle erhitzt, so lösen sich um so mehr Bisphenol A, je öfter Wasser darin erhitzt wird. Das gelöste Bisphenol geht in die anschließend eingefüllte Babynahrung über. Auch wenn eine Flasche nach einfachem Auskochen mit einer warmen Flüssigkeit befüllt wird, gehen geringe Mengen an Bisphenol über. Das Hormongift wurde auch schon in Trinklerntassen entdeckt. Als unbedenklich gelten hingegen Babyflaschen aus Glas.
Humana zahlt Entschädigung für Kinder, die durch fehlerhafte Sojanahrung geschädigt wurden
Die Firma Humana will nun 100 Millionen Schekel (18 Millionen Euro) an die Familien zahlen, deren Babys durch die Ernährung mit „Super Soya 1“ geschädigt wurden.
Im November letzten Jahres war bekannt geworden, dass in Israel zwei Babys gestorben sind, weil das koschere Produkt, das in Israel über die Firma Remedia vertrieben wurde, zu wenig Vitamin B1 enthielt.
15 weitere Kinder erlitten Schäden. Von einem Kind wird berichtet, dass es Krämpfe hat, nicht schlucken kann und zweimal die Woche ins Krankenhaus muss. Es wird über eine Kanüle im Bauch ernährt. Niemand weiß, ob es jemals normal leben kann.
Ein anderes muss durch einen Spezialgürtel (Preis Euro1500,-) gestützt werden, es gibt keine Laute von sich und kann „keine Fliege vom Mund vertreiben“ Die Mutter sagt, sie habe den Eindruck, die Seele sei im kranken Körper gefangen und das Kind weine innerlich.
Niemand weiß, ob sich der Zustand der betroffenen Kinder je bessern wird, wie viele Jahre sie einer besonderen Behandlung bedürfen und was das jeweils kostet. Es ist auch noch unklar, wie das Geld von Humana aufgeteilt werden soll.
Gefahren der Flaschenernährung
Tote Babys durch Humana-Sojamilch
In Israel wurde nach dem Tod von zwei Babys die in Deutschland hergestellte Sojamilch „Super Soya 1“ aus dem Handel genommen. Diese Babynahrung wurde dort von der zu Heinz gehörenden Firma Remedia vertrieben. Hergestellt wurde sie von der Firma Humana-Milchunion aus dem münsterländischen Everswinkel.
Humana hatte mit Remedia gemeinsam entschieden die Produkte „Soya 1“ (0 bis 6 Monate) und „Soya 2“ (6 bis12 Monate) zu einem neuen Produkt zu integrieren und hat im April diesen Jahres eine neue Rezeptur entwickelt und ab Juni nach Israel geliefert. Bei der Neuentwicklung wurde irrtümlich davon ausgegangen, dass der natürliche Vitamin-B1-Gehalt von Soja ausreiche und die Fertignahrung keiner Vitaminsupplementierung bedürfe. Die Fertignahrung enthielt jedoch statt 385 Mikrogramm B1 auf 100 ml Fertignahrung nur 29 bis 37 Mikrogramm. Für den israelischen Markt, war es wichtig, dass die Sojanahrung unter koscheren Bedingungen hergestellt wurde. Dies soll sogar von einem Rabbi aus Tel Aviv überprüft worden sein.
Am 14. Oktober starb der dreieinhalb Monate alte Guy Goldmann an Herzversagen. Die Ursache entdeckten die Ärzte drei Wochen später, als eine Ärztin bei einem schon komatösen Baby den Vitaminmangel diagnostizierte und es durch die Verabreichung einer Injektion mit Vitamin-B1 retten konnte. Die Symptome von Vitamin-B1-Mangel sind: Übelkeit, Erbrechen, Unruhe, Krämpfe, Hirnschädigung und Herzmuskelschwäche. Verbreitet ist die als Beriberi bezeichnete Krankheit in Asien und kommt vor, wenn Menschen hungern und sich fast ausschließlich von geschältem Reis ernähren.
15 weitere israelische Kinder, die mit der Kunstmilch gefüttert wurden, leiden an schweren Mangelerscheinungen. Auch in den USA soll es unter Kindern von orthodoxen Juden schon zu Erkrankungen gekommen sein. Auch dort soll die Säuglingsnahrung von Remedia vertrieben werden.
Die WHO hat weltweit vor der inzwischen in Israel vom Markt genommenen Sojamilch gewarnt, denn es könne sein, dass Touristen Milchpulver in Israel gekauft hätten, um es später an ihre Kinder zu verfüttern. Russland, Georgien, Aserbaidschan, Armenien und der Iran haben als Reaktion auf den Skandal ein Importverbot für alle Humana-Produkte verhängt.
Human gibt zu, dass der Wert von Vitamin B1 (=Thiamin) auf den Etiketten von „Super Soya 1“ falsch deklariert war, stellt allerdings den ursächlichen Zusammenhang mit dem Tod der gestorbenen Säuglinge in Frage. Die internen Kontrollen, die den Rechenfehler der Produktentwicklung hätten aufdecken können, haben versagt. Humana ließ die neue Babynahrung in der Landwirtschaftlichen Untersuchung- und Forschungsanstalt in Kiel (Lufa) extern überprüfen. Versehentlich wurde die Vitaminbestimmung nicht durchgeführt, angeblich weil nur die erste Seite des zweiseitigen Auftragsschreibens angekommen war. Bei Humana fiel nicht auf, dass nur ein Teil der bestellten Analysedaten vorgelegt wurde. Auch die israelischen Behörden haben keine weitere Produktprüfung veranlasst, deutsche Produkte gelten als vertrauenswürdig.
Humana hat als Konsequenz aus dieser Verkettung von Fehlern vier leitende Angestellte entlassen. Mitarbeiter aus der Produktentwicklung, dem chemischen Zentrallabor und dem Qualitätsmanagement mussten gehen. Ab sofort werden bei Neurezepturen und Rezeptänderungen vor der Freigabe zur Erstproduktion eine labortechnische Vollanalyse der Inhaltsstoffe zwingend vorgeschrieben.
Zwei Israelis machten inzwischen Forderungen von umgerechnet 220 Millionen Euro geltend. Humana ist jedoch nur mit insgesamt 50 Millionen Euro gegen Ansprüche wegen Produktfehlern versichert.
Die deutschen Behörden waren zwar für die Exportkontrolle nicht zuständig, erwägen jetzt aber Änderungen in der Produktkontrolle. Bärbel Höhn, Verbraucherschutzministerin in Nordrhein-Westfalen, will die 18 kommunalen Lebensmittelüberwachungsämter zu drei bis fünf Ämtern zusammenfassen, um eine effektivere Überwachung sicherzustellen. Auch Bundesverbraucherministerin Renate Künast will die Kontrollen erheblich verschärfen.
Wozu nichts geschrieben wurde im Humana-Skandal ist, warum all die mit Sojamilch gefütterten Babys nicht gestillt wurden. In Israel sollen 5000 Kinder Super Soya 1 erhalten haben, es bleibt zu hoffen, dass etliche von ihnen noch teilgestillt wurden, denn Stillen schützt auch vor Vitaminmangel. Die Behauptung einer Tageszeitung, auch gestillte Kinder könnten unter Beriberi leiden ist absolut unerheblich, denn keine der 5000 israelischen Mütter ist unterernährt. Und Mangelernährung durch Muttermilch tritt nur auf, wenn die Mutter fehl- oder mangelernährt ist. Überdies würden Frauen mit gravierendem B1-Mangel gar nicht schwanger werden.
Was noch zu sagen bleibt ist, dass Soja-Nahrung für Babys ein nicht notwendiges Produkt ist. Das Forschungsinstitut für Kinderernährung in Dortmund warnt vor dem bedenklichen Gehalt an pflanzlichen Östrogenen und empfiehlt Soja-Nahrung nicht einmal mehr für allergiekranke Kinder, weil Kuhmilchallergiker häufig auch auf Soja allergisch reagieren. Der Kinderarzt Professor Berthold Koletzko, von der Universität München empfiehlt für Säuglinge mit Kuhmilchallergie, sofern sie nicht gestillt werden können, so genannte Hydrolysatnahrung, bei der das Eiweiß zu Aminosäuren aufgespalten wurde. Diese Ersatzprodukte sind allerdings teuer und schmecken bitter.
Koletzko beanstandet auch, dass Humana irreführende Werbung betreibt. Die Deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin hat das zuständige Landesuntersuchungsamt in Münster im Juli darauf hingewiesen, dass Humana für die Produkte Folgemilch 2 und 3 sowie für Heilnahrung HN mit gesundheitlichen Vorteilen, wie Stärkung des Immunsystems und besserer Verdauung wirbt. Diese Behauptungen sind völlig irreführend und nach WHO-Kodex verboten.
Südafrika implementiert den Kodex
Das Gesundheitsministerium von Südafrika hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der Werbung für künstliche Babynahrung sowie Flaschen und Sauger verbietet. In Zeitschriften soll nicht nur Werbung verboten werden, sondern auch Artikel und Kommentare über diese Produkte. Ebenso sollen Hotlines der Babynahrungsindustrie verboten werden.
Auf der Verpackung von künstlicher Babynahrung sollen die Aufschriften: „Stillen ist das Beste für Ihr Baby, es schützt vor Diarrhö und anderen Krankheiten“ sowie „Sprechen Sie mit Ihrer Klinik oder Ihrem Arzt, wenn Sie künstliche Babynahrung verwenden wollen“.
Die Aufschriften müssen in drei offiziellen Sprachen auf der Vorderseite oben in fetten Buchstaben von mindestens 5mm Höhe aufgedruckt und schwarz eingerahmt werden.
Auch auf Flaschen, Saugern und Beruhigungssaugern muss auf die Überlegenheit des Stillens hingewiesen werden.
Kondensmilch, Dosenmilch und Milchpulver müssen auf der Vorderseite den Aufdruck „Nicht als Babynahrung geeignet“ tragen, in Englisch und in zwei anderen Landessprachen und zwar in Großbuchstaben und ebenfalls schwarz eingerahmt.
Jegliche ernährungs- oder gesundheitsbezogene Werbeaussage muss vom Gesundheitsminister genehmigt werden.
Die Babynahrungsindustrie läuft Sturm gegen das geplante Gesetz. Sie hat sich vor einem Monat mit Herstellern von Flaschen und Sauger und Babymagazinen zur „Infant Feeding Association (IFA) zusammengeschlossen, um gemeinsam gegen den Gesetzentwurf vorzugehen.
Die IFA betont, sie sei für die Förderung des Stillens, aber es gäbe Mütter, die nicht Stillen könnten oder die nicht Stillen wollten. Auch die weite Verbreitung von HIV in Südafrika mache es notwendig, dass die Hersteller, ihre Produkte anbieten. Ein Werbeverbot käme einer Abschaffung der Babynahrungsindustrie gleich und Kinder würden verhungern.
Die Gegner des Gesetzes wenden sich gegen die Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und die Einschränkungen des freien Marktes; der Entwurf sei unausgewogen und der gesunde Menschverstand sei abhanden gekommen. Die Regierung würde sich wie Big Brother gebärden, die drakonischen Forderungen und Einschränkungen seien überzogen.
Das Recht von Müttern auf Information sei gefährdet, verzweifelten Müttern würde die Möglichkeit, sich Hilfe zu holen, verweigert, wenn die Hotlines verboten werden.
Die geforderten Aufdrucke auf den Verpackungen seien ein Ding der Unmöglichkeit. Es sei nicht genug Platz dafür auf den Behältern oder Packungen. Die Kosten für die Etikettierung würden bei einigen Produkten um 50% steigen.
Gesundheit vor Profit
Die indische Regierung gewichtet die Gesundheit von Kindern höher als die Gewinne der Babynahrungsindustrie
Aus der indischen Presseerklärung vom 7. Mai 2003
Die indische Regierung verbietet die Werbung für Babynahrung für Kinder unter zwei Jahren. Von dem Verbot betroffen sind Produkte wie Säuglingsanfangsnahrung, Säuglingsnahrung, Beikost, Getreidebeikost und andere Fertignahrungen.
Beide Kammern des indischen Parlaments unternahmen den historischen Schritt und genehmigten das neue Gesetz zur Regulierung der Produktion, Angebot und Vertrieb von Babynahrung (Infant Milk Substitutes, Feeding Bottles and Infant Foods (Regulation of Production, Supply and Distribution) Amendment Bill, 2003) Die neu verabschiedete Gesetzesnovelle (2003) wird das schon existierende IMS Gesetz aus dem 1992 weiter verschärfen und somit die Werbung für alle Sorten von Muttermilchersatznahrung wirkungsvoll verbieten. Das Stillen in Indien wird somit umfassend geschützt, gefördert und unterstützt.
Den Unternehmen ist es aufgrund der Gesetzesnovelle zukünftig verboten, dem Gesundheitspersonal und den dazugehörigen Berufsgruppen, Geldmittel für Veranstaltungen und Konferenzen zur Verfügung zu stellen.
In der Gesetzesnovelle wird anerkannt, dass Stillen das Beste ist. In der Tat ist das Stillen seit jeher in unserer Kultur verankert. Aber in der heutigen Zeit wird unseren Babys dieses Geschenk Gottes aufgrund von aggressiver Werbung von Säuglingsanfangsnahrung und Getreidebeikost, vorenthalten. Das führt jedoch zu erhöhter Krankheitsanfälligkeit bei Babys, aber auch zu steigender Unterernährung und Säuglingssterblichkeit. Die indische Regierung hat diesem wichtigen öffentlichen Gesundheitsproblem Rechnung getragen, und im Jahr 1992 das IMS (Infant Milk Substitutes) Gesetz erlassen, um unlauteren Werbepraktiken vorzubeugen. Dieses Gesetz sollte die Produktion, das Angebot und den Vertrieb von Muttermilchersatznahrung, Saugflaschen und Babynahrung regulieren, aber leider hatte das Gesetz Lücken, die von Babynahrungsherstellern fortlaufend ausgenutzt wurden.
Um die vorhandenen Gesetzeslücken zu schließen, wurde eine nationale Arbeitsgruppe gebildet. Aufgrund deren Änderungsvorschlägen wurde die Gesetzesnovelle 8 aus dem Jahr 2002 im Parlament am 8. März 2002 eingebracht. Die Gesetzesvorlage wurde dem Ständigen Ausschuss im Parlament am 12. Dezember 2002 unterbreitet. Da Ober- und Unterhaus die Gesetzesnovelle 2003 anerkannten, wird es nun nach der Zustimmung des Präsidenten ein Gesetz werden.
Zusätzlich zu den Verboten, die Bestandteil des IMS Gesetz 1992 sind, verbietet die Gesetzesnovelle 2003 nun folgendes:
1. Werbung für alle Sorten von Babynahrung für Kinder unter zwei Jahren, dazu gehören Säuglingsanfangsnahrung, Säuglingsnahrung, Beikost, Getreidebeikost und andere Fertignahrungen
2. Werbung jeglicher Art für Muttermilchersatznahrung, Säuglingsnahrung oder Saugflaschen, einschließlich Anzeigenwerbung, Verteilung von Proben, Geschenke, den Gebrauch von Lehrmaterial und das Anbieten von persönlichen Vorteilen
3. alle Arten von Reklame einschließlich elektronischer Übertragung durch Hörfunk und Fernsehen für diejenigen Produkte, die unter den Kodex fallen z.B. Muttermilchersatznahrung, Säuglingsnahrung oder Saugflaschen
4. Werbung in Apotheken und Drogerien für Produkte, die im Geltungsbereich des Kodex fallen, z.B. Muttermilchersatznahrung, Säuglingsnahrung oder Saugflaschen
5. das Benutzen von Bildern, auf denen Babys oder Mütter auf den Etiketten von Muttermilchersatz- oder Säuglingsnahrung abgebildet sind
6. Etikettierung von Säuglingsnahrung, die für den Konsum vor dem sechsten Lebensmonat angeboten wird
7. Das Zur-Verfügung-Stellen von Geld für Seminare, Treffen, Konferenzen, Fortbildungen und Forschungen für Gesundheitspersonal und Berufsverbände
Dr. Arun Gupta, Kinderarzt und nationaler Koordinator des – Breastfeeding Promotion Network of India (BPNI) -, der wichtigsten nationalen Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Stillen zu fördern, sagt: „Heute ist ein weiterer Kampf auf dem Gebiet der Schutzes, der Förderung und Unterstützung des Stillens in Indien gewonnen worden. Die Gesetzesnovelle weist ausdrücklich darauf hin, dass Babynahrung nur für Babys, die älter als sechs Monate sind, verkauft werden sollte. Die Bewerbung von Muttermilchersatznahrung oder Babynahrung ist nun für Babys unterhalb von zwei Jahren verboten. Diese Gesetzesnovelle geht einher mit der WHA-Resolution 54.2, in der das ausschließliche Stillen für die Dauer von sechs Monaten empfohlen wird. In der Gesetzesnovelle wird klargestellt, dass Beikost erst nach sechs Monaten beigefüttert werden sollte und das Stillen bis zu zwei Jahren oder darüber hinaus fortgesetzt werden sollte.“
Diese Veränderung in Hinblick auf eine bessere Gesundheit und Entwicklung von Babys und Kleinkindern ist sehr wichtig. Muttermilch ist alles, was ein Baby in den ersten 6 Lebensmonaten braucht und die Einführung von Beikost wird nun nach den ersten 6 Monaten empfohlen, was besser als die frühere Empfehlung ist, die Beikost ab dem 4. Monat empfahl. Die Weltgesundheitsversammlung (World Health Assembly, WHA) die Vertreterversammlung aller Mitgliedsstaaten der WHO, hat im Mai 2001 die WHA-Resolution 54.2 verabschiedet, in der es heißt:
„Die WHA fordert die Mitgliedsstaaten auf, […], (4) die Anstrengungen zu verstärken und neue Herangehensweisen zu entwickeln, um das ausschließliche Stillen für die Dauer von sechs Monaten als weltweite Empfehlung für die öffentliche Gesundheit zu schützen, zu fördern und zu unterstützen, unter Berücksichtigung der Ergebnisse des WHO-Expertengespräches über die optimale Dauer ausschließlichen Stillens und sichere und angemessene Beikost zur Verfügung zu stellen bei fortgesetztem Stillen bis zu zwei Jahren oder darüber hinaus, den Schwerpunkt auf Wege für die Verbreitung dieser Konzepte legend um die Gemeinschaften dahinzuführen diese Praktiken anzuwenden.“
Die indische Regierung unternahm einen bedeutenden Schritt, indem sie diese Resolution umsetzte.
Der Kinderarzt Dr. R. K. Anand aus Mumbai, der Gründungspräsident von (Association for Consumers Action on Safety an Health (ACASH), einer Schlüsselorganisation, deren Aufgabe darin besteht, die Einhaltung des IMS Gesetzes zu überprüfen, sagt zu dem neuen Gesetz: „Die Änderungen sind ein richtiger Schritt, um den kommerziellen Einfluss, den die Babynahrungsindustrie auf das Gesundheitspersonal hat, zu beseitigen. Das lässt die WHA Resolutionen von 1996 und 2002 in Indien Wirklichkeit werden. Unternehmen nutzten in der Vergangenheit fortlaufend die Lücken des Gesetzes von 1992 aus. Sie ließen dabei keine Gelegenheit aus, um Menschen mit irreführenden Informationen zu überschütten und bedienten sich dabei allen Mitteln, um ihre Geschäfte voranzutreiben. Dabei übertraten sie offenkundig viele Bestimmungen des IMS Gesetzes. Darum wurde es notwendig, diese Gesetzeslücken zu schießen, um den Missbrauch zu stoppen und somit das Leben von Babys und Kleinkindern zu schützen.“
Ein Aktivist, der mit dem Gerichtsverfahren um die Beschleunigung des IMS Gesetz 1992 vertraut ist, zeigt folgendes auf: „Ein beliebtes Mittel, das von Unternehmen gerne benutzt wird, um Babynahrung zu bewerben, ist die Darstellung eines allgegenwärtigen „Mutter-Kind-Bildes“. Dem Betrachter soll die tückische Vorstellung eingeimpft werden, dass der Inhalt dieser so beworbenen Konservendosen aus einem Baby ein pausbäckiges, lächelndes, gesundes und vitales Baby werden lässt. Die Gesetzesnovelle 2003 untersagt nun den Gebrauch von Bildern, sei es mit Babys oder Müttern oder beiden. Dieses Verbot gilt für Säuglingsanfangsnahrung und für Babynahrung (Beikost, Getreidebeikost, Entwöhnungsbeikost).“
Vandana Sabharwal vom BPNI (Breastfeeding Promotion Network of India), deren Aufgabe die Überwachung des IMS Gesetzes ist, meint dazu: „Diese Gesetzesnovelle besagt eindeutig, dass Unternehmen nicht länger alles bewerben dürfen. Das gilt für Babynahrung (Getreidebeikost, Beikost) unterhalb des Alters von zwei Jahren. Folglich ist die Werbung und Vermarktung von Babynahrung wie Cerelac, Nestum, Farex, Weano, Infacare, Dexrice, Easum, Firstfood, Veelac usw., die in der Vergangenheit stark angekurbelt wurde, nun völlig verboten.“ Dies geht über die Werbeverbote für Muttermilchersatznahrung und Saugflaschen hinaus.
„Ein Kampf ist zuende gegangen und ein anderer hat begonnen“, sagt Dr. Jagdish C. Sobti, Koordinator der Projektgruppe Bildung beim BPNI. „Die indische Regierung und das Ministerium für Frauen- und Kinderentwicklung haben durch die Neufassung des Gesetzes ihr starkes Engagement, hinsichtlich der Verbesserung der Gesundheit bei Säuglingen und Kleinkindern gezeigt. Nun liegt die Verantwortung bei uns allen, damit es funktioniert.“
Weitere Informationen sind erhältlich bei:
Dr. Arun Gupta
National Coordinator, BPNI
Regional Coordinator, International Baby Food Aktion Network (IBFAN), Asia Pacific
agupta@bpni.org
Tod aus der Flasche
Miese Geschäfte mit Babymilch
PANORAMA Nr. 631 vom 11.9.2003
Anmoderation
Anja Reschke:
Willkommen zu PANORAMA, heute etwas später und etwas kürzer.
Kaum geboren haben sie fast keine Überlebenschance. Jeden Tag sterben Tausende von Babys auf der ganzen Welt. Sie verhungern, trocknen aus, siechen mit schweren Infektionen dahin. Der Grund dafür ist nicht allein die Hungersnot oder schlechte hygienische Verhältnisse, sondern das Fläschchen. Die Zahlen liegen seit Jahren auf dem Tisch. Aber trotzdem verspricht die heile Werbewelt der Babynahrungskonzerne den Müttern weiter gesunde und runde Kinder, wenn sie statt der Brust die Flasche geben. Während das Stillen in den westlichen Ländern eine Glaubensfrage ist, kann es auf der südlichen Halbkugel zwischen Leben und Tod entscheiden.
Thomas Berndt und Nicola von Hollander über Profitgier, der Babys zum Opfer fallen.
Kommentar:
Pricila Arnes versucht ihr Baby aufzuwecken – immer und immer wieder. Aber es reagiert nicht, es liegt im Koma. Eine Virusinfektion hat das Gehirn des neun Monate alten Jungen entzündet. Diagnose: Meningitis. Überlebenschance ungewiss. Tag und Nacht sitzt die Mutter hier am Bett, im größten Krankenhaus Manilas auf den Philippinen, auch wenn sie genau weiß, dass sie kaum mehr helfen kann.
O-Ton
Pricila Arnes: (Übersetzung)
(Mutter)
“Ich bete jeden Tag, jeden Tag. Unser Leben ist nicht mehr wie es war. Wir sind zwar nur einfache Bauern und arm, aber wir waren glücklich. Jetzt weiß ich nicht mehr, wie es weitergehen soll.”
Kommentar:
Glückliche und gesunde Kinder, das hatte ihr die heile Werbewelt versprochen. Nestle wirbt für Babynahrung sogar mit dem Slogan: Mehr Abwehrkräfte für das Kind. Doch aus der Flasche kam das Virus. Pricila Arnes hat das Milchersatzpulver mit verunreinigtem Wasser angerührt, es nicht genügend abgekocht. Sie wusste es nicht besser. Ihr Sohn bekam erst Atemnot, schildert die Ärztin seinen Leidensweg, dann Mageninfektionen, schließlich Hirnhautentzündung.
O-Ton
Asunción A. Silvestre: (Übersetzung)
(Universität Manila)
“Da ist ein ganz starker Zusammenhang, weil man das Milchpulver mit absolut sauberem Wasser anmischen muss, um sicher zu sein. Aber diese Familie hatte kein fließendes sauberes Wasser. Und wenn dann Wasser und Flasche nicht lange genug abgekocht und sterilisiert werden, dann ist das so, als würde man das Baby mit Viren füttern.”
Kommentar:
Das Schicksal eines Flaschenbabys, nicht nur auf den Philippinen. Verunreinigtes Wasser, Milchpulver, Krankheitskeime – eine oft tödliche Mixtur, seit Jahren bekannt und wissenschaftlich belegt.
O-Ton
Gisela Meese:
(UNICEF-Initiative)
“Nach Schätzungen von UNICEF und der Weltgesundheitsorganisation sterben jährlich 1,5 Millionen Kinder an den Folgen der Flaschenernährung.”
O-Ton
Michael Abou-Dakn:
(VIVANTES- Humboldt-Klinik Berlin)
“Wir konnten in einer englischen Studie zeigen oder sehen, dass auch in Industrieländern Kinder, die mit der Flasche ernährt werden, bis zum fünften Lebensjahr häufiger versterben als Kinder, die gestillt werden. Das hat uns sehr überrascht und erschrocken. Wir haben immer geglaubt, dass das nur in Entwicklungsländern ein Problem sei, aber auch in Industrieländern ist es eben das gleiche Problem, weil die Muttermilch das Optimale ist. Was haben Kinder, die nicht gestillt werden, für Nachteile? Sie haben viel häufiger Infektionskrankheiten, von banalen Infektionen bis hin eben zu schlimmen Durchfallerkrankungen zum Beispiel.”
Kommentar:
Grund genug für die Weltgesundheitsorganisation, die WHO, in Genf zu handeln. Schon vor über zwanzig Jahren wurden hier Werbung und Vermarktung der Milchersatzpulver stark begrenzt, festgeschrieben in einem internationalen Kodex, anerkannt von den Konzernen zum Schutz der Babys.
O-Ton
James Akré: (Übersetzung)
(WHO)
“Diese Milchpulver sollten eigentlich nur im Notfall benutzt werden, nur unter Aufsicht von medizinischem Personal. Es ist für mich frustrierend zu beobachten, dass Konzerne unseren Kodex immer wieder brechen. Aber Konzerne wollen eben vor allem eins: ihre Produkte verkaufen.”
Kommentar:
Beispiel Philippinen: Jeden Tag werden hier an die 6.000 Kinder geboren, die meisten zu Hause. Ein lukrativer Markt für die Konzerne – und kaum Kontrolle. So schickt auch der weltweite Marktführer Nestle seine Vertreter übers Land – offensichtlich mit Erfolg. Die Promotion funktioniert. Krankenschwestern wie Darlene sind für Nestle die besten Werbeträger, obwohl das nach dem WHO-Kodex verboten ist. Dort steht festgeschrieben: Keine Geschenke und Gratisproben an Mitglieder des medizinischen Personals. Die Praxis aber sieht anders aus.
O-Ton
Darlene Merilles: (Übersetzung)
(Krankenschwester)
“Die Nestlé-Vertreter kamen zu uns, um für ihre Produkte zu werben. Sie haben uns Gratisproben gegeben. Und wenn sie meinten, dass sich das Produkt sehr gut verkaufte, kamen sie zu uns und haben uns eingeladen, an den Strand, in Beach-Resorts, zum Barbecue oder in ein Restaurant.”
Kommentar:
Nestle, die Konzernzentrale in der Schweiz. Solche Marketingmethoden finden man hier ganz normal. Gratisproben bekomme das medizinische Personal selbstverständlich nur zu wissenschaftlichen Zwecken. So halte man sich an den Kodex.
O-Ton
François-Xavier Perroud:
(Nestlé AG)
“Die Krankenschwestern werden nicht in der Regel in Beach-Resorts eingeladen, sondern es kann sein, dass in einem oder dem anderen Fall, wo sich das Spital in der Nähe eines solchen Resorts befand, dass dort das Mittagessen in einem angenehmen Rahmen organisiert wurde. Auch dies ist in keiner Art und Weise illegal, sondern es ist absolut normale, gebräuchliche Gastfreundschaft nach philippinischen Maßstäben.”
Kommentar:
Sitten und Gebräuche scheint der Konzern überall gut zu kennen, auch hier: China, der größte Markt der Welt. Etwa 52.000 Kinder werden hier jeden Tag geboren, alles potentielle Kunden. Zum Beispiel in diesem Pekinger Baby-Shop. Hier gibt es reichlich Sonderangebote, auch für Milchersatzpulver, obwohl das laut WHO-Kodex verboten ist. Dort steht: Keine Werbegeschenke oder Rabatte beim Kauf von Milchersatzpulver. Auch hier sieht die Praxis anders aus.
O-Ton
Verkäuferin: (Übersetzung)
“Wir haben hier manchmal Werbeaktionen und geben Rabatte. Dann kriegen die Leute einen Teddybär dazu, wenn sie sechs Dosen kaufen. Die Hersteller organisieren das, auch mit den Geschenken.”
Kommentar:
Auch diese Bilder zeigen wir dem Nestlé-Sprecher, und er weiß, der WHO-Kodex gilt für alle, vom Vorstand über den Vertrieb bis zum Verkäufer.
O-Ton
François-Xavier Perroud:
(Nestlé AG)
“Wenn es tatsächlich eine Promotion gab, dann handelt es sich ganz klar um einen Irrtum, um einen Verstoß gegen den Kodex. Wir werden, sobald dieses Beispiel dokumentiert ist, mit dem bestreffenden Verteiler Kontakt aufnehmen und ihn sehr energisch darauf hinweisen, dass solche Promotionen nicht erlaubt sind.”
O-Ton
Gisela Meese
(UNICEF-Initiative)
“Nestlé ist einer der multinationalen Hersteller, der nach unserer Kenntnis also ständig gegen den Kodex verstößt, gegen die verschiedenen Bestimmungen. UNICEF hat eine Studie anfertigen lassen, und nach Aussage dieser Studie, nach Ergebnis dieser Studie, wurde in allen Ländern von den führenden Babynahrungshertellern gegen alle Bestimmungen des Kodex verstoßen.”
Kommentar
Deutschland. Auch hier kämpfen die Konzerne um jeden Kunden, jedes Baby – von der Mutterbrust an die Flasche. In dieser Hamburger Stillgruppe wurde die Hälfte aller Frauen direkt von Firmen wie Humana und anderen beworben. Das ist laut WHO-Kodex verboten, denn dort ist festgelegt: Keine Gratisproben an Mütter. Die Praxis auch hier eine andere.
O-Ton
Mutter:
“Also von der Humana-Firma habe ich ein Päckchen bekommen. Das war im dritten Monat meines Babys, das enthalten hatte einmal den Brief, wo beschrieben wurde, dass das Baby halt Folgemilch erhalten kann, bzw. für allergische Babys gibt’s auch Produkte in der Reihe. Dazu noch zwei Proben mit der Folgemilch und dem Bananenmilchbrei sowie ein Ernährungsplan für das gesamt erste Jahr des Säuglings, von Humana.”
O-Ton
James Akré: (Übersetzung)
(WHO)
“Das ist für alle Produkte eine übliche Werbepraxis. Die Weltgesundheitsorganisation hat im Kodex ganz klar gesagt, dass das für Milchersatzpulver inakzeptabel ist.”
Kommentar:
Von Humana dazu kein Interview für PANORAMA. Der Konzern aus dem westfälischen Herford teilte uns nur schriftlich mit: Gratisproben verschicke man in der Regel nur auf Anfrage. Das allerdings war bei der von uns befragten Mutter nie der Fall.
Alle 30 Sekunden stirbt ein Baby, irgendwo auf der Welt – weil es nicht gestillt wird. Babys sterben auch weil Konzerne seit über 20 Jahren immer neue Vermarktungsmethoden finden, um die WHO-Vorschriften zu umgehen – Marktanteile offenbar wichtiger als Menschenleben.
O-Ton
Gisela Meese:
(UNICEF-Initiative)
“Der Skandal besteht darin, dass man weiß, dass diese großen Risiken bestehen, auf Grund von Analphabetismus, von mangelndem Trinkwasser, von Armut und weiteren Faktoren, und trotz dieses Wissens wird dieses Produkt weiter beworben. Und man kann wirklich nur sagen, das ist grob fahrlässig, Menschen in diesen Lebenssituationen Milchpulver als eine angemessene Ernährungsform für ihren Säugling anzubieten.”
O-Ton
François-Xavier Perroud:
(Nestlé AG)
“Wir werden uns unter keinen Umständen aus diesem Gebiet drängen lassen. Und wir sind glücklich, dass wir Millionen von Kindern ein gesundes Überleben sichern konnten, dank unserer Produkten.”
Bericht: Thomas Berndt, Nicola von Hollander
Schnitt: Andrea Schröder-Jahn